Die erste Zeichnung in der Geschichte der Menschheit war der Abdruck einer Hand, die mit Ruß beschmutzt war. Die Wand der Höhle hat es aufbewahrt und durch die Jahrhunderte getragen als Beweis der Anwesenheit des Menschen, der auf dem glatten Stein imprägniert war. Seit dieser Zeit ist viel geschehen, die Tendenzen und Technologien änderten sich, der Mensch lernte, seine Realität auf den Bildern, Fotos und im Kino darzustellen, um diese zu speichern.
Und außer diesen gerichteten, bewussten Versuchen gibt es Anderes, welches unbemerkt und unterschätzt bleibt. Haben Sie jemals die Steinstufen des altertümlichen Tempels gesehen, die abgenutzt und unter den Füßen von tausenden von Pilgern gebogen sind? Bestimmt. Die Empfindlichkeit des Steines ist mit der Empfindlichkeit des Fotofilms nicht vergleichbar, doch konnte auch der Stein die zum Tempel kommenden Menschen auf seine eigene Weise abbilden. Es war nur eine Frage der Zeit; das «Bild» kam in Hunderten von Jahren heraus. Daher sind alle Objekte um uns herum, sogar unsere Alltagsgegenstände, im Prinzip auch Fotografien, unsere Abdrücke. Sie nehmen unsere Anwesenheit auf, unsere Gewohnheiten, unsere Schicksale. Und mit der richtigen Entwicklungsmethode können diese aufgenommenen «Bilder» auch gesehen werden.
Der bildende Künstler Alex Schilow weiß um dieses Geheimnis. Er beobachtet ausgesuchte Gegenstände in einem anderen, außergewöhnlichen Winkel und findet schließlich ihren "Negativfilm". Mit Hilfe von verschiedenen Grafiktechniken wie der Monotypie und der Lithographie; der Technik «der trockenen Nadel» macht er uns diese Bilder sichtbar. Sorgfältig sind die Gegenstände, die Träger der Information über ihre Besitzer aussortiert worden und der Autor hat die Existenz von konkreten Menschen wieder aufleben lassen, Menschen, die zu verschiedenen Zeiten gelebt haben und in verschiedenen Ländern (Russland und Deutschland) zuhause waren. Aus verschiedenen sozialen Schichten, jedoch über die gegenständliche Welt vereinigt, sind diese Abbilder dokumentarische Beweise der Existenz von unbekannten Menschen.
Diese Abbildungen gehören zu der kompositorischen Grundlage der Ausstellung «Zwei Wohnungen. One Trip.» und wurden in der Planung und Ausführung speziell für die Galerie von Michaela Helfrich in Berlin-Neukölln im April 2014 «entwicklt». Der Ausstellungsraum besteht aus zwei Zimmern, in jedem Raum sind Menschen unsichtbar anwesend, die in familiären Verhältnissen zu einander stehen. In erstem Zimmer wohnt eine russische Familie, jene fast vergessenen Nachbarn aus der sowjetischen Kindheit des Autors. Im zweiten Raum lebt eine moderne deutsche Familie, die ihm während seiner Reise durch Deutschland begegnet ist.
Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt: die Galerie und die Ausstellung ist auch ein Raum, indem sich mehrere Gegenstände befinden. Die Ausstellung wird am Ende ihrer Präsentationszeit ihre Informationen sowohl über die Besucher als auch über den Autor speichern und aufbewahren. Und genau dieser Effekt erfüllt die Vision und das erhoffte Ergebnis für den Künstler Alex Schilow.Schilow hofft vor allem auf diese nachhaltigen «Erinnerungen», denn es könnte seine letzte Reise nach Deutschland und nach Europa sein, wenn die Staatsgrenzen von Russland, wie vor vielen Jahren, bald geschlossen sein könnten.Begleitet wird die Ausstellung durch den russischen Filmregisseur und Künstler P. Dzogaba mit seiner Videoinstallation „Mach mir ein Bild“. Hier arrangiert er seine in 2014 gesammelte Filmausschnitte, die aus leeren Häusern der Welt in Moskau - Mexico – Berlin“ das Ausstellungsthema von Schilow gleichwohl zentrieren.
Beide Künstler leben in Moskau und sind während der Ausstellungszeit nach Verabredung in der Galerie zu treffen.